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  • matt studer

Der Antichrist: symbolische Fiktion oder reale Person? Mit Kim Riddlebarger


Was ist gut? – Alles, was das Gefühl der Macht, den Willen zur Macht, die Macht selbst im Menschen erhöht. Was ist schlecht? – Alles, was aus der Schwäche stammt.

(Friedrich Nietzsche, Der Antichrist: Fluch auf das Christentum)


Wer ist ein Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet.

(1 Joh. 2,22)



Wenn wir schon über Endzeit reden (siehe meinen letzten Beitrag) dann sollten wir auch den Antichristen thematisieren. Fast so berühmt wie Christus ist er, dieser Gegen-Christus (ok, ich übertreibe!). Als teuflische Figur in Filmen, der Literatur oder dem Theater sorgt er für Aufruhr, Chaos, Gotteslästerung und Weltuntergang. Doch wer ist der Antichrist? Steht er mehr symbolisch als Personifizierung für das Böse? Oder ist er eine reale Figur, eine historische Person, die schon gelebt hat oder in der Zukunft noch auftauchen wird? In der Geschichte der Kirche gab es so manchen Opponenten, dem man diesen Titel verlieh: der Kaiser Nero, der Papst (!), Hitler ... Wer käme noch in Frage? Ob diese Persönlichkeiten alle den Titel verdient haben oder nicht sei erstmal dahingestellt. Wichtiger scheint mir die Frage, was die Bibel zum Thema aussagt. Der Befund mag überraschen: Sie sagt einiges aus, wenn auch mit weniger populär-apokalyptischem Glanz, als wir uns das von Hollywood gewohnt sind (aber deswegen nicht weniger dramatisch!). Kim Riddlebarger hat dieses biblische Teaching für sein Buch The Man of Sin: Uncovering the Truth about the Antichrist ausgegraben. Mit der Bibel und diesem Buch zur Hand, wollen wir nun einmal versuchen, eine ungefähre Skizze des Antichristen nachzuzeichnen.



Eine biblische Polarisierung: zwei Abstammungslinien und zwei Typen von Städten

Stell dir einmal vor, die Bibel wäre eine lange Geschichte, bestehend aus vielen kleineren dicht miteinander verwobenen Geschichten - vielleicht ungefähr so wie 'Herr der Ringe' zusammen mit dem Silmarillion. Da gibt es zuerst einmal die Hauptstory, die sich an der dramaturgischen Achse der vier Akte 'Schöpfung, Fall, Erlösung, Neuschöpfung' entlang hangelt. [1] Darum herum ranken sich die zig kürzeren Nebenstories, sich alle auf eine Art und Weise auf diese Hauptstory beziehend. Ein zentraler Faden dieser Mainstory, der sich durch die ganze Bibel hindurchzieht und in vielen Nebenstories wieder auftaucht, nimmt seinen Anfang direkt nach dem Sündenfall. Ich spreche von der Feindschaft zwischen Gott und dem antigöttlichen Widersacher; einer Feindschaft, die sich immer wieder neu manifestiert. Nachdem die Schlange (gemeint ist der Teufel) Adam und Eva im Paradies verführt hatte, sprach Gott zu ihr:

Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen. (Genesis 3,15)

Hier, fast ganz am Anfang der Geschichte Gottes mit den Menschen, polarisiert Gott. Das heisst, er setzt eine Feindschaft zwischen dem Nachkommen der Schlange und dem der Frau. Eigentlich ist es ja nicht Gott, der polarisiert, sondern die Schlange. Sie verfolgte von Anfang an das Ziel, die Menschen von Gott wegzulocken und sie damit auf ihrer Seite zu haben (Gen. 3,1-6). Nun mag man sich fragen, von welchem 'Samen' Gott hier spricht? Ich nehme die Lösung vorweg: Der Same oder Nachkomme, der von der Frau abstammen und der Schlange den Kopf zertreten würde, war niemand anders als Jesus Christus. [2]

Er [Christus] hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und über sie triumphiert in Christus. (Kol. 2,15)

Es ist wichtig zu sehen, dass sich diese Ur-Feindschaft nicht nur zwischen Satan und Gott (zwischen der Schlange und Christus) abspielte. Die ganze Menschheit nach Adam wird in die Dynamik dieses Kampfes hineingezogen, so dass diese Polarisierung zu einem wichtigen Subplot der biblischen Story zählt. Eine erste Kostprobe bekommen wir bereits bei der tragischen Episode der beiden Brüder Kain und Abel, der ersten kleineren Nebenstory ausserhalb des Paradieses. Wieso nahm Gott das Opfer Abels an, aber das Opfer von Kain nicht? Riddlebarger meint:

Gott selbst entlarvte Kains Heuchelei in seinem 'Gottesdienst'. Kains Opfer, das Gott ablehnte, zeigt deutlich, dass Kain mit der Schlange verbündet war. (S. 41)

Wie auch immer man die Rolle Kain's interpretieren will, es ist klar, dass der Brudermord gegen den Samen/Nachkommen der Frau gerichtet war, gegen Abel, der Gott aufrichtig die Ehre gab. Gemäss Riddlebarger passt es optimal zusammen, dass Kain später eine (die erste?) Stadt der Menschen gründete und dass der 'anti-göttliche Spirit' inmitten der Stadtmauern dieser Menschenstadt wehte. Wir müssen sehen, dass der Typus der Stadt im Alten Testament häufig als Symbol der Rebellion gegen Gott galt (erinnern wir uns an Sodom und Gomorra oder Babylon). Nicht dass Gott prinzipiell etwas gegen Städte hätte. Im Gegenteil 'bewohnte' er ja selber eine Stadt, nämlich die Stadt Zion (siehe dazu diesen Beitrag). Man müsste eher sagen, dass die menschliche versus die göttliche Stadt genau diese Feindschaft zwischen den göttlichen Nachkommen und den Nachkommen der Schlange verdeutlichten. [3] Riddlebarger spannt den Bogen bis zum Ende der biblischen Story hin:

Wenn wir zur Neutestamentlichen Lehre über den Antichristen kommen, entdecken wir, dass der Widerstand der Stadt der Menschen gegen das Reich Gottes seinen Höhepunkt in der unheiligen Allianz zwischen Babylon der Großen und dem Tier erreicht (Buch der Offenbarung 17-18). (S. 41)

Um zu zeigen, wie sich diese beiden so unterschiedlichen Abstammungslinien im Alten Testament weiterentwickelten, bräuchten wir mehr Platz. Die Linie des Messias lässt sich über die Linie der Patriarchen, dem Stamm Juda und so weiter gut nachvollziehen. Wie ist das aber mit der Linie der Schlange? Riddlebarger meint:

Die deutlichste Art und Weise, wie der Samen der Schlange dem Samen der Frau entgegentritt, ist das Handeln verschiedener Könige und Reiche, die das Volk Gottes durch militärische und wirtschaftliche Macht unterdrücken. (S. 42)

Beispiele gibt es genug an der Zahl. Tyrannische Herrscher wie Nimrod (Genesis 10,8-12), oder im klassischen Stil der ägyptische [4] Pharao (Buch Exodus), oder Nebukadnezzar (2. Könige 24 und Daniel 4,28-30). Solche Pappenheimer liefern einiges an Futter für einen allenfalls später auftauchenden Antichristen. Bleiben wir noch kurz bei Nebukadnezzar, der eines der besten Vorbilder abgibt (auf jeden Fall in dieser Phase seines Lebens). Als Herrscher des babylonischen Grossreichs plünderte er den Tempel und führte das Volk Israel (notabene auf Gottes Geheiss hin) ins Exil nach Babylon. Dabei kam er sich schon ein bisschen wie Gott vor, wenn er plagierte: 'Das ist das große Babel, das ich erbaut habe zur Königsstadt durch meine große Macht zu Ehren meiner Herrlichkeit.' (Daniel 4,27) [5] Riddlebarger fasst zusammen:

Nebukadnezzar's Selbstgefälligkeit und absoluter Trotz gegenüber dem Herrn sind die Hauptursache für seine Verfolgung des Volk Gottes und machen ihn zu einem wahren Vorläufer des Antichristen und einem Erzfeind des verheißenen Samens. (S. 47)

Wir sehen also, dass 'der Geist des Antichristen' bereits im Alten Testament weht, indem er sich auf menschliche Herrscher setzte, die das Volk Gottes (die Abstammungslinie der Frau) tyrannisierten, unterdrückten und auslöschen wollten. Das Wort Antichrist wird zwar nicht verwendet. Und doch kommt der Habitus des Antichristen glasklar heraus: Es gibt da eine Macht, die Gottes Pläne mit seinem auserwählten Volk vereiteln will. Und diese Macht manifestiert sich in tyrannischen Diktatoren, die diese Feindschaft zwischen Gott und der Schlange verkörpern.



Der Antichrist als Gottes Gegenspieler im Neuen Testament

Wenn wir einen Sprung vorwärts ins Neue Testament machen, müssen wir nicht lange suchen, um die 'wider-göttlichen Spuren' zu finden. Bereits kurz nach der Geburt Jesu (dem Samen der Frau), wurde das Leben des Baby Jesus bedroht.

Steh auf [Joseph], nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten! Bleib dort, bis ich dir neue Anweisungen gebe. Denn Herodes wird das Kind suchen lassen, weil er es umbringen will. (Matthäus 2,13)

Herodes verhielt sich wie einst der ägyptische Pharao, als er befahl alle Neugeborenen Israels in den Nil zu werfen! (Exodus 2,11) Hier wie dort wurde die 'göttliche Linie' direkt bedroht und kompromisslos angegriffen. In beiden Fällen verhinderte Gott die dunklen Pläne des Feindes. Jesus durfte der Schlange dann auch persönlich gegenübertreten: 'Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er vom Teufel versucht würde.' (Matt. 4,1) So wie der erste Adam wurde Jesus, der zweite Adam (vgl. hierzu Römer 5), den Versuchungen des Widersachers ausgesetzt. Nur dass Jesus den Spiess umdrehte und dem Gegenspieler nicht unterlag. Und dann, wie schon erwähnt, triumphierte Jesus über Satan und er wird ihn am Ende der Geschichte ganz vernichten, so dass dieser nicht weiter gegen Gott und sein Volk polarisieren kann. [6]


Wir kommen zu dieser Zwischenbilanz:

Bis jetzt ist der Antichrist noch eine relativ ominöse Figur. Jeder Tyrann, der sich gegen Gott und sein Volk gewendet hat, käme irgendwie in Frage. Wir brauchen also noch mehr Informationen. Dazu beschränken wir uns auf die Schriften von Johannes (natürlich gäbe es weitere zentrale Stellen, wie den 'Mann der Gesetzlosigkeit, der noch offenbar werden muss' - siehe dazu 2. Thess. 2,3) Der Apostel Johannes schreibt zunächst:

Meine Kinder, es ist die letzte Stunde. Ihr habt gehört, dass der Antichrist kommt, und jetzt sind viele Antichristen gekommen. (1. Joh. 2,18)

Also eine Pluralisierung des Antichristen ('viele Antichristen')? Ja. Im Kontext des zweiten Johannesbriefes hat 'Antichrist' etwas mit Häresie zu tun: 'Wer ist der Lügner - wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist: wer den Vater und den Sohn leugnet.' (1. Joh. 2,22) Ja, es geht hier sogar um eine interne Gefahr - der 'Antichrist' geht aus dem Kreis der Gemeinde hervor (Nebenbemerkung: Stellen wie diese haben in der Kirchengeschichte dazu geführt, dass man den Papst verdächtigte!).

Sie sind aus unserer Mitte gekommen, aber sie gehörten nicht zu uns; wenn sie zu uns gehört hätten, wären sie bei uns geblieben. Es sollte aber offenbar werden, dass sie alle nicht zu uns gehörten. (1. Joh. 2,19)

Es scheint damals gewisse Individuen gegeben zu haben, die innerhalb der Gemeinde eine völlig anderes Gottes- und Jesusbild vermittelten und dadurch das Zeugnis über den fleischgewordenen Christus unterwandern wollten. Johannes nennt sie Antichristen. Könnte es sogar sein, dass Jesus dieselben Figuren meinte, wenn er vor Verführern warnte, die nach ihm auftreten und von sich behaupten würden, sie seien der Messias? 'Denn es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen.' (Mt. 24,5; vgl. auch Petrus, der ganz ähnlich von falschen Propheten warnte (2. Petrus 2,1) Ganz ähnlich wie die Schlange im Paradies, versuchten diese Antichristen die Menschen zu verführen und sie von der göttlichen Wahrheit wegzulocken. [7] Diese Antichristen handelten ganz im Sinne ihres 'geistlichen Vaters', des Teufels, den Jesus den 'Vater der Lüge' nannte. (Joh 8,44)


Doch dann, wenn wir der grammatikalischen Struktur in 1. Johannes 2,19 Gewicht geben wollen, scheint es auch so zu sein, dass der Antichrist ein bestimmtes Individuum ist oder sein wird ('Ihr habt gehört, dass der Antichrist - Singular - kommt.'). Logisch, die Verführer oder Irrlehrer tragen das Bild des antigöttlichen Widersachers, der Schlange in sich. Und doch sind nicht sie DER ultimative Antichrist. Johannes sagt uns am Ende seines Briefes, dass sie im Geist dieses Antichristen agieren:

Und das ist der Geist des Antichrists, von dem ihr gehört habt, dass er kommen werde, und er ist jetzt schon in der Welt. (1. Joh. 4,3) [8]

Es ist übrigens nicht schwer sich das vorzustellen. Wir sagen ja auch solche Sätze wie 'Er ist ein Casanova' oder 'Sie ist eine Madonna'. Damit meinen wir nicht, dass die betreffende Person DER Casanova oder DIE Madonna ist, sondern dass sie ähnliche Eigenschaften trägt. Womit wir wieder bei der Frage, wer denn DER originale Antichrist ist, angelangt sind. Um diese Frage besser beantworten zu können, dürfen wir uns eine weitere Schrift des Johannes zu Gemüte führen: Das berühmt-berüchtigte Buch der Offenbarung.



Der Antichrist im Buch der Offenbarung (?) - ein Versuch

Die Johannesoffenbarung ist ein Buch mit sieben Siegeln (und weiteren sieben Schalen und sieben Posaunen). Die dramatische Symbolsprache macht es uns nicht einfach, das Buch zu verstehen. Viele dieser symbolstarken Bilder haben ihren Background im Alten Testament und müssen mit diesem Background in Verbindung gebracht werden. Wie die Beschreibung der anti-göttlichen Widersacher im Buch der Offenbarung. Da ist zunächst die Bestie, die aus dem Meer heraufsteigt:

Da sah ich ein Tier aus dem Meer heraufsteigen, ein Tier mit zehn Hörnern und sieben Köpfen. Auf jedem seiner zehn Hörner trug es eine Krone, und auf den Köpfen standen Namen, mit denen Gott verhöhnt wurde. Das Tier glich einem Leoparden; seine Füße allerdings sahen wie Bärentatzen aus und sein Rachen wie der eines Löwen. (Offenbarung 13,1-2)

Die Beschreibung erinnert doch stark an die Visionen des Propheten Daniel (siehe Dan. 7 und 11,36, wo die Tiere mit Königen in Verbindung gebracht werden: 'Der König wird tun, was er will, und wird sich überheben und großtun gegen jeden Gott.'). Hinter dieser anti-göttlichen Verschwörung steckt logischerweise niemand anders als der Teufel, der in der Johannesoffenbarung als 'Drachen' dargestellt wird: 'Der Drache übertrug dem Tier seine Macht; er übergab ihm seinen Thron und stattete es mit außergewöhnlichen Vollmachten aus.' (Offenbarung 13,2b) [9]


Neben diesem Tier aus dem Meer erscheint weiter das Tier 'aus der Erde' (Offenbarung 13,11-18), das dann später auch als der falsche Prophet bezeichnet wird (16,13) und das die Menschen zur Anbetung des ersten Tieres verleiten soll. In Anlehnung an das Buch Daniel und Nebukadnezzar veranlasst dieses Tier aus der Erde ein Standbild des ersten Tieres zu errichten, das dann angebetet werden soll (vgl. Offenbarung 13,14-15 mit Daniel 3,5-6). Der Apostel Johannes malt uns hier ein Bild einer antigöttlichen Trinität vor Augen: Dem Drachen (dem Teufel, dem Vater des Bösen) - dem Tier aus dem Meer, das analog zu Christus eine 'tödliche Wunde hatte, dann aber geheilt wurde' (13,3), eine Tatsache, die viele Menschen dazu verleitet, den Drachen und das Tier anzubeten - und schliesslich dem Tier aus der Erde, dem falschen Propheten, der ähnlich dem Heilige Geist 'Zeichen und Wunder' wirkt (13,13) und zur Anbetung des 'Vaters und des Sohnes' motiviert. Der Satan, der Drache (oder die Schlange), verfolgt immer noch dasselbe Ziel wie am Anfang. 'Der Drache wandte sich gegen die übrigen Nachkommen der Frau, um mit ihnen Krieg zu führen.' (Offenbarung 12,17) Der Kampf richtet sich gegen den Samen der Frau.


Für wen schrieb Johannes die Offenbarung? Warum gab Gott ihm diese Vision damals? Es macht für mich wenig Sinn zu postulieren, dass Johannes eine verborgene Message für Christen verschlüsselt habe, die mehr als zweitausend Jahre nach ihm leben würden. Vielmehr lesen wir schon am Anfang des Buches, dass der Satan seinen Thron bereits aufgestellt hat, zum Beispiel in Pergamon (vgl. Offb. 2,13). Es ging also schon damals los. Christen wurden verfolgt und niedergemacht und unter dem Druck des Kaiserkultes des römischen Reiches, in recht ähnlicher Manier wie Schadrach, Meschach und Abed-Nego damals in Babylon, gezwungen den Kaiser anzubeten (Daniel 3). So liegt es auf der Hand, dass eine (erste) Manifestation des Biestes in Rom mit seinen Kaisern zu finden wäre. [10] Viele Ausleger sehen denn auch den Kaiser Nero als eine Manifestation des Antichristen. Dazu passt der Mythos, der sich um diesen verrückten Kaiser rankt(e): Nero sei nach seinem 'Selbstmord' wieder aufgetaucht (die Nero redivivus - Legende). Dies wird oft im Zusammenhang mit der 'tödlichen Wunde, die dann aber wieder geheilt wurde' gelesen. Könnte es sein, dass Nero das Tier war, von dem Johannes spricht, das am Ende der Zeit als 'neuer Nero' wieder auftauchen wird? Vielleicht ...


Anstatt sich auf eine singuläre Person zu fixieren, macht es meines Erachtens Sinn, das Tier (eigentlich die beiden Tiere) aus der Offenbarung als einen ganzen Staatsapparat zu sehen. Ein Staat, der wie das römische Kaiserreich unter Nero oder Domitian (oder auch Babylon unter Nebukadnezzar) Christen mittels seiner (militärischen) Macht unterdrückte und zur Götzenanbetung nötigte. Sowieso stehen der König und sein Reich im biblischen Kontext fast auswechselbar nebeneinander: Der König steht für sein Reich (wie in Daniel 7,17) Der antigöttliche Staat, zusammen mit dem antichristlichen Geist der Häresie (die 'vielen Antichristen' aus 1. Joh. 2,18) formen dann gemeinsam die geballte satanische Ladung, die die Schlange auf die Nachkommen der Frau loslässt - damals schon und sich immer wiederholend bis ans Ende der Zeiten. Ob sich das in einem finalen Antichrist manifestiert, oder in einem Staat, der auf all seinen Ebenen anti-Gott ist, würde ich offen lassen.


Was die Kirche im Angesicht dieses satanischen Kampfes gegen die Nachkommen der Frau vor allem braucht, ist keine akribische Kenntnis von Gottes unglaublichen Plänen in seiner Heilsgeschichte, sondern Standhaftigkeit, zum Teil bis in den Tod, im Wissen dass Jesus, ihr Herr, den Widersacher bereits vernichtend geschlagen hat!

Hier ist die ganze Standhaftigkeit derer gefordert, die zu Gottes heiligem Volk gehören – die unbeirrbare Treue derer, die seine Gebote befolgen und auf Jesus vertrauen. Aus dem Himmel hörte ich eine Stimme, die mir befahl: »Schreibe: Glücklich zu nennen sind die, die dem Herrn bis zu ihrem Tod treu bleiben! Das gilt von jetzt an mehr als je zuvor.« – »Ja«, sagt der Geist, »sie werden sich von aller Mühe ausruhen, denn was sie getan haben, wird nicht unbelohnt bleiben.« (Offenbarung 14,12-13)


[1] Es gibt verschiedene Versuche, die Bibel als Story in Akte zu unterteilen, die alle leicht anders gelagert sind, aber im grossen Ganzen ganz ähnlich funktionieren. Mir kommen gerade Kevin Vanhoozer The Drama of Doctrine, N. T. Wright Das Neue Testament und das Volk Gottes oder Craig Bartholomew und Michael Goheen The Drama of Scripture in den Sinn.


[2] 'In die Verse beissen' wird häufig so verstanden, dass Satan mit daran beteiligt war, Jesus ans Kreuz zu bringen, ohne zu wissen, dass dies sein Untergang bedeuten würde.


[3] Interessanterweise verstand der Kirchenvater Augustinus Abel und Kain symbolisch als zwei Typen der zwei Städte, der göttlichen der menschlichen Stadt (siehe in seinem Buch Der Gottesstaat).


[4] Spannend (und um auf das Städtemotiv zurückzukommen) wird Ägypten (zusammen mit Gomorra) im Buch der Offenbarung 'geistlich gesehen' zur anti-göttlichen Stadt, der Stadt in der Christus gekreuzigt wurde (siehe Offenbarung 11,8).


[5] Nebukadnezzar's Traum (Daniel 4) beschreibt einen Baum, dessen Höhe bis an den Himmel reichte. Eine Parallele zum Turm von Babel? (Siehe Riddlebarger, S. 47)


[6] Dieser ganze Aspekt des Evangeliums oder der Soteriologie wird als Christus Victor bezeichnet: Christus besiegt den Satan.


[7] Auch hier finden sich Alttestamentliche Vorläufer, wie dem falschen Propheten Balak (siehe Numeri 22-25), dessen Rolle in 2. Petr. 2,15 aufgegriffen wird.


[8] Eine ganz ähnliche Spannung zwischen dem antichristlichen schon und doch noch nicht findet sich im zweiten Thessalonicherbrief: 'Im Verborgenen ist die Gesetzlosigkeit zwar schon jetzt am Werk, aber offen zeigen wird sie sich erst, wenn der, der das bisher noch verhindert, nicht mehr da ist. Dann allerdings wird der Gesetzlose in Erscheinung treten.' (2. Thess. 2,7-8)


[9] Das Buch Hiob nennt auch zwei Tiere, ein Tier aus dem Meer (Leviathan) und ein Tier vom Land (Behemoth) in Hiob 40-41.


[10] Es ist allgemein anerkannt, dass Johannes die Stadt Rom in der Offenbarung 'verdeckt' als 'Babylon' bezeichnet, die Stadt mit den 'sieben Hügeln', in Anlehnung an Rom (17,9)

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