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Wie wir miteinander reden - Kommunikation und das Evangelium

matt studer

Aktualisiert: 27. Okt. 2021


Wir Menschen sind kommunizierende Wesen. Gemäss Studien äussern wir pro Tag um die 16'000 Worte - wobei die gängige Volksmeinung, dass Frauen über ein weitaus grösseres Wörterbudget verfügen als Männer, scheinbar widerlegt ist (siehe Link unten). Jesus sagte einmal, dass der Mensch für jedes 'unnütze' Wort werde Rechenschaft ablegen müssen (Mt 12,36). Bei 16'000 Worten pro Tag - das sind hochgerechnet 5'840'000 Worte pro Jahr, 467'200'000 bei einer Lebensdauer von 80 Jahren - könnte einem da bange werden.


Reden, Kommunizieren, Austauschen - das ist für uns Menschen eine lebensnotwendige Beschäftigung. Wir definieren uns über Worte, wir bauen Beziehung durch Worte, wir drücken unser Inneres, unsere Gefühle (unter anderem auch) durch Worte aus. So sind wir gestrickt, im Bilde unseres dreieinigen Gottes, der von Anfang an Beziehung war und der immer schon kommunizierte. Deswegen verwundert es nicht, dass die Bibel der zwischenmenschlichen Kommunikation viel Gewicht beimisst. Dabei geht sie unbeschönigt realistisch ans Werk. Menschliche Kommunikation kann sowohl Segen oder Fluch bringen - und beides liegt manchmal so nah beieinander. Am Plastischsten äussert sich Jakobus dazu:

Es gelingt dem Menschen zwar, die unterschiedlichsten Tiere zu zähmen – Raubtiere und Vögel, Reptilien und Fische. Sie alle hat der Mensch gebändigt; doch die Zunge kann kein Mensch bändigen. Sie ist ein ständiger Unruheherd, eine Unheilstifterin, erfüllt von tödlichem Gift. Mit ihr preisen wir den, der ´unser` Herr und Vater ist, und mit ihr verfluchen wir Menschen, die als Ebenbild Gottes geschaffen sind. Aus ein und demselben Mund kommen Segen und Fluch. (Jakobus 3,7-10)

Menschlich verbale Kommunikation hat ein unglaubliches Kraftpotenzial. Wir können mit Worten sowohl aufbauen als auch niederreissen, ermutigen oder entmutigen, segnen oder verfluchen. Der Apostel Paulus ist sich dieser Bipolarität wohl bewusst und fordert uns darum dazu auf, in Richtung einer gesunden und aufbauenden Kommunikation zu investieren und zu wachsen.

Kein böses Wort darf über eure Lippen kommen. Vielmehr soll das, was ihr sagt, gut, angemessen und hilfreich sein; dann werden eure Worte denen, an die sie gerichtet sind, wohl tun. (Epheser 4,29)

Reflektieren wir uns einmal, am Besten in Bezug auf unsere allernächsten Beziehungen. Wieviel von unseren täglichen 16'000 Worten tun unseren Liebsten wohl? Wie hilfreich, gut und aufbauend ist unsere Kommunikation? Ich stelle mir eine alltägliche Situation an unserem Frühstückstisch vor. Noch müde und trotzdem innerlich schon etwas gestresst angesichts all der Aufgaben, die mich heute erwarten, bin ich irgendwie abgelenkt und nicht ganz präsent. Meine Frau ist mit Planungsfragen beschäftigt: Znüni für den Chindsgi, Einkaufsliste schreiben, dem und der müsste man noch telefonieren. Die Kinder leeren entweder die Ovi oder das Müesli aus. Alles normal soweit. Und in diesem Tamtam von Gefühlen, Bedürfnissen und Müesli könnte ich jetzt etwas Aufbauendes, Ermutigendes und Wohltuendes sagen: 'Hey, du siehst schön aus in dieser Bluse!' 'Ich finde, du machst das so gut mit den Kindern.' 'Ich habe euch so gern.' Doch, warum tue ich das eigentlich so wenig?


Ich fürchte, dass das letztlich damit zu tun hat, dass ich mich zu fest um mich selbst drehe anstatt um meine Nächsten. 'Muss noch die Spülmaschine ausräumen.' 'Habe Kopfweh.' 'Bräuchte doch eigentlich noch mehr Ruhe.' 'Fühle mich grad nicht so, dass ich meinen Mitmenschen grosse Beachtung schenken will.' Das Problem ist altbekannt und heisst 'Selbstsucht', moderner ausgedrückt 'Selbstbezogenheit'. Mein Blick ist zu stark auf meinen eigenen Bauchnabel gerichtet. Schlimmer noch, als dass ich es auslasse, mit meinen Worten Positives in meiner Umgebung zu bewirken - ich kritisiere, nörgle, streite, grenze mich ab, entmutige, reisse nieder. 'Böse Worte' anstatt wohltuende Worte also?


Menschliche Kommunikation jenseits von Eden ist durchzogen, oftmals selbstbezogen und manchmal zerstörerisch. Das Buch der Sprüche ist ein interessanter Gesprächs-partner zum Thema verderblich-ruinöse Kommunikation. Kommunikation, die zwischen-menschliche Beziehungen beeinträchtigt, verletzt und letztlich demoliert.

Wie Kohlen die Glut und Holz das Feuer, so schürt ein zänkischer Mensch den Streit. (Sprüche, 26,21)
Wer zum Schuldigen sagt: Unschuldig bist du!, den verwünschen die Völker, dem zürnen die Nationen. (Sprüche 24,24)
So benimmt sich die ehebrecherische Frau: Sie isst, wischt sich den Mund und sagt: Ich habe nichts Böses getan. (Sprüche 30,20)
So macht sie ihn willig mit viel Überredung, mit schmeichelnden Lippen verführt sie ihn. (Sprüche 7,21)
Wer als Verleumder umhergeht, gibt Geheimnisse preis, der Verlässliche behält eine Sache für sich. (Sprüche 11,13)
Wie ein Verrückter, der Brandpfeile schleudert, Pfeile und Tod, so ist einer, der seinen Nächsten täuscht und dazu sagt: Ich mach doch nur Spaß. (Sprüche 26,18-19)
Rühmen soll dich ein anderer, nicht dein eigener Mund, ein Fremder, nicht deine eigenen Lippen. (Sprüche 27,2)

Allerdings ein eindrucksvoller Katalog! Durch Sprache wird Streit geschürt, Wahrheit verdreht und Ungerechtigkeit propagiert, geschmeichelt und schöngeredet, getäuscht, weggeredet, verleumdet, verletzt, gelästert und geprahlt. Was treibt uns dazu, so zu reden, Sprache so zu (miss)brauchen? Vielleicht wollen wir besser dastehen, als wir wirklich sind - und darum übertreiben und beschönigen wir. Vielleicht wollen wir einfach etwas unbedingt bekommen - und darum täuschen, manipulieren und schmeicheln wir. Vielleicht wollen wir von unseren Fehlern ablenken - und darum verdrehen wir die Wahrheit. Vielleicht wollen wir uns rächen oder unsere Position behaupten - und darum verletzen und verleumden wir. Motive gibt es genug, Sherlock Holmes. All diese 'bösen Worte' kommen letztlich aus einem 'bösen Herzen', einem Herzen, dass vor allem für sich selbst lebt (Mk 7,20-23). Jakobus fasst es für uns zusammen:

Wir alle lassen uns ja oft und in vieler Hinsicht etwas zuschulden kommen, am meisten jedoch bei dem, was wir sagen. (Jak 3,10)

Gibt es Hoffnung für unsere kommunikatives Miteinander? Vielleicht ist ein erster Schritt, uns einzugestehen, dass wir in unserer Kommunikation Schiffbruch erleiden, weil wir oftmals zu eigensüchtig und selbstbezogen sind - so wie ich am Frühstückstisch. Dass wir unser verbales Potenzial für alle möglichen eigensüchtigen Zwecke missbrauchen. Dass wir zu oft für unser Wohl reden, anstatt wohltuend für unsere Nächsten. Wenn wir dies bekennen, gibt es Hoffnung. Denn er, über dessen Lippen nie ein 'böses' Wort kam, ist als Einziger in der Lage, unser Kommunikationsproblem nachhaltig zu erlösen (1 Petr. 2,22). Er, der selbst unter übelsten Beschimpfungen und Verleumdungen keine verbale Rache übte, sondern alle unsere bösen Worte an seinem eigenen Leib ans Kreuz hinaufgetragen hat, erlöst uns von unserer eingefleischten Selbstbezogenheit, damit wir nun frei für Gott und unsere Nächsten leben und reden können (1 Petr 2,23-24).


Schauen wir also auf ihn, in dessen Bild wir durch seinen Geist verwandelt werden.

Er, der Gott in allem gleich war und auf einer Stufe mit ihm stand, nutzte seine Macht nicht zu seinem eigenen Vorteil aus. Im Gegenteil: Er verzichtete auf alle seine Vorrechte und stellte sich auf dieselbe Stufe wie ein Diener. Er wurde einer von uns – ein Mensch wie andere Menschen. (Phil 2,6-7)

Jesus verliess seinen angestammten himmlischen Platz und betrat unsere Welt, und zwar so immersiv, dass er uns verstehen und mit uns mitfühlen kann (Heb. 4,15). Was heisst das für unsere Kommunikation? Wir sollten 'unseren Platz' soweit verlassen, dass wir 'die Welt' unseres Gegenübers besser verstehen und mit seinen oder ihren Anliegen mitfühlen können. Das beginnt damit, dass wir zuhören: 'Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden.' (Jak 1,19) Um zu verstehen, sollten wir auch fragen und wieder fragen. Jesus war einer, der viele und gute Fragen gestellt hat (siehe alle vier Evangelien). Ich habe eine Freundin, die es irgendwie versteht, die richtigen Fragen zu stellen und so emphatisch zuzuhören, dass dabei immer ein wertschätzendes und offenes Klima entsteht. So ein Klima wünschte ich mir für alle meine Tischgespräche!

Aber er erniedrigte sich ´noch mehr`: Im Gehorsam gegenüber Gott nahm er sogar den Tod auf sich; er starb am Kreuz ´wie ein Verbrecher`. (Phil 2,8)

Jesus gab sich am Kreuz für uns Sünder hin, aus Liebe zu uns und im Gehorsam gegenüber seinem Vater. Diese Haltung der Hingebung beeinflusst das ganze Christen-leben in allen seinen Aspekten. 'Das ist die Haltung, die euren Umgang miteinander bestimmen soll; es ist die Haltung, die Jesus Christus uns vorgelebt hat.' (Phil 2,5) So wie Jesus sich erniedrigt hat, so sollen wir demütig genug sein von anderen höher zu denken als von uns selbst (Phil 2,4). In Bezug auf Kommunikation heisst das, dass ich nicht mich ins Zentrum stellen muss - 'schaut her, hört zu, ich bin's!' Vielmehr gebe ich mich für mein Gegenüber hin, indem ich von mir wegdenke: 'Was könnte mein Gegenüber aufbauen, welche Worte könnten wohltun?' Das hat manchmal etwas mit Sterben zu tun, vor allem dann, wenn sich das eigene Ego vordrängt. Oder auch dann, wenn das Gegenüber 'auf verbalen Angriff geht'. Gemäss Jesus sollen wir auch unsere 'Feinde' lieben.


Noch etwas. Sich hingebende Kommunikation gemäss des Evangeliums hat grad gar nichts mit Weichspüler, Zuckerguss und Durch-die-Blume-Innuendos zu tun. Jesus war oftmals sehr klar in dem, was er sagte - und zwar expressis verbis. Angemessene und hilfreiche Worte können manchmal unbequem, aber notwendig sein (Eph 4,29). Unsere Nächsten zu lieben heisst nicht, sie vor der herausfordernden Wahrheit zu verschonen, die sie weiterbringen würde, sondern 'die Wahrheit in Liebe zu sagen' (Eph 4,15).


Und noch etwas. Sich hingebende Kommunikation darf keine Ablenkung sein, sich selbst zu verstecken, nach dem Motto 'solange ich Fragen stelle, muss ich nichts von mir preis-geben'. Es gibt Momente, in denen man sein Ego im Zaum halten muss - und andere Momente, in denen man auf eine ehrlich gestellte, offene Frage etwas von sich mitteilen kann. Unbedingt! Ich spreche hier aus Erfahrung, weil ich manchmal nicht so gern gefragt werde, aus Angst, ich müsste jetzt irgendein gut gehütetes Geheimnis offenbaren. Es kommt natürlich immer darauf an, wer fragt und wie er fragt. Ich durfte herausfinden, dass mein Motiv, mich zu verstecken genau so selbstzentriert ist, wie permanent zu plappern und sich ins Rampenlicht zu stellen: Die Angst, von meinem Gegenüber für zu kurz oder zu ungenügend validiert zu werden. Auch dafür bietet das Evangelium die Gegenkur. In Christus bin ich schon gerechtfertigt und vollständig angenommen, selbst wenn ich noch Mangelerscheinungen aufweise und gewisse Ecken abhabe. Hingabe in diesem Fall heisst, meine selbstzentrierte Angst mit Blick auf Christus zu überwinden, damit ich meinen Nächsten durch mein Mitteilen lieben kann. Mein Gegenüber braucht genauso mein Anteil geben wie mein Anteil nehmen!



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